Karthagische Rituale

Aus ThuleTempel
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Einleitung

Diese Texte und Beschreibungen sind nicht im karthagischen Original erhalten, sondern entstammen römischen Nachschriften aus der Zeit des Augustus.


Text

Die Namensgebung


1. Aus der Ferne bist du gekommen. Weit war dein Weg. Lang war dein Schlaf im Meere des Schweigens.

2. Nicht erinnerst du dich der lichten Welt, aus der du gingst. Nicht erinnerst du dich des ersten Sterbens im Meere des Schweigens. Nicht weißt du von dir.

3. Abermals Form gewann deine Seele; erwacht ist dein Geist in der ewigen Kraft des Lebens.

4. Den Weg beginnst neu du als Wanderer durch die Kreisläufe der Ewigkeit.

5. Die Schwelle betrittst du als Mensch. Anfang nimmst du erneut - Wanderer, Erwachte/r, Kommende/r, Gehende/r, Weisheit Sammelnde/r.

6. Die Erdenwelt wirst du durchschreiten, um der gerechten Erkenntnis willen. Mutig sein dein Schritt, gerade dein Weg. Er führe dich heim in die lichten Welten.

7. Denn Weg ist dein Erdenleben - nicht Ziel, sondern Zweck. So du das Licht suchen wirst, so wird das Licht mit dir sein.

8. Wanderer, der du die Schwelle der Erdenwelt nun betreten hast - dies ist dein Name : ...( Name )...

9. Heil sei mit dir, ...( Name )..., dir leuchtet das wegweisende Licht der Gottheit. Halte das Licht aufrecht in dir, ...( Name )..., dann wird Licht zu Licht finden und nie mehr Finsternis schauen, aus der du erwachtest.

10. Heil sei der Gottheit, die leitet den Wanderer!


Diese Zeremonie findet im Tempel oder am Hausaltar statt, vollzogen durch eine Priesterin mit dem "Roten Löwen" (ein magisches Räucherpulver) und dem Sonnenspiegel, welcher dem Kinde vorgehalten wird. Im allgemeinen findet diese Zeremonie etwa im Alter von sechs Monaten statt.


Jugendweihe


Wenn die jungen Burschen dem Mannesalter sich annähern allmählich, so sollen sie über die Flammen springen und durch das Feuer des Lebens gehen mit einem ersten Sprunge. Und [sie] sollen dies tun wohl im achtzehnten Jahre. Noch ist dies Spiel, denn nicht hoch greifen die Flammen, bloß ist es Eintritt in das Feuer der Welt und des dort herrschenden Kampfes. Wenn die Mädchen dem Frauenalter sich annähern allmählich, wohl im sechzehnten Jahre, so sollen sie ihre Haare sich vornehmen und die Enden davon schneiden, so viel die Breite einer Hand mißt, nicht aber mehr. Und [es] ist dies das letzte mal des Schneidens der Haare des Weibes. Volle Eigenständigkeit aber gewinnen die Jungen, so sie das Alter von 23 Jahren Überschritten haben. Wo ein Mädchen zur Tempelschülerin wird, bleiben die Haare ungeschnitten bis zur "Eröffnung" des magischen Steins, wozu es dann erst in gleichem oder geringerem Ausmaß erfolgt.


Eheschließung


1. Aus der Ferne seid ihr gekommen. Weit war der Weg.

2. Der Weg zweier Wanderer traf sich, ist ein Weg fortan.

3. Zweisam durchwandert ihr nun der Erdenwelt Zeit.

4. Neues Leben wird aus euch kommen in diese Erdenwelt; ihr werdet es zeugen, hüten und leiten. So ist der Heimweg zur Gottheit, dem ihr folgt, zugleich Vorausschreiten und Vorbildgeben denen, die aus euch und nach euch kommen.

5. Eines Mannes und eines Weibes Wille ergeben gemeinsam die Kraft, tragen die Sonne des Lebens von Horizont zu Horizont.

6. ...( Name der Frau )..., Tochter der Gottheit, ( oder: Tochter Astartes ) du wärme den Wanderpfad des Lebens, wie die Strahlen der Sonne.

...( Name des Mannes )..., Sohn der Gottheit, ( oder: Sohn Baals ) du schreite klaren Lichtes voran auf dem Lebenspfad, wie das Licht der Sonne.

7. Licht und Wärme - das Außen und das Innen - seid ihr fortan: Sonnengleich sei euer Wirken gegen- und füreinander und in allem. Nichts könne zwischen euch sein als Liebe.

8. Der Mann ist stets Sohn, die Frau ist stets Tochter; in der Kundschaft der Gottheit wie im Erdendasein.

9. So wirst du ...( Name des Mannes )..., ...( Name der Frau )... nicht bloß Gatte sein, sondern mitunter auch sein wie ihr Vater; So wirst du ...( Name der Frau )..., ...( Name des Mannes )... nicht bloß Gattin sein, sondern mitunter auch Mutter ihm sein. Denn so, wie die Menschen auseinander hervorgehen in die Erdenwelt, so sehnen ihre Seelen nach der Vereinigung sich: Als Freundin und Freund, Gattin und Gatte, Mutter und Vater. Die Paarsamkeit der Ehe umschließt alles dies. Bedenket es, und die Flamme der Liebe wird euch niemals erlöschen, weil in drei Schalen sie brennt:

10. Gattenliebe, Freundesliebe, Elternliebe; diese drei Flammen erhellen den Weg eurer Wanderschaft von dieser bis in die nächste Welt. Heil sei mit euch!

11. Tauscht nun eure Runen. Schenkt einander euch selbst. Die Gottheit hat es gesehen.

12. Ein Licht seid ihr nun, ein Weg und ein Ziel. Nichts kann euch trennen! Heil sei mit euch.

13. Heil sei der Gottheit! Heil sei dem göttlichen Atem, der euch vereint und Frucht gibt eurem Blut. ( Alle ): Heil sei der Gottheit! Heil sei dem göttlichen Atem, der euch vereint und Frucht gibt eurem Blut. (Mitunter folgen Heilrufe auf die Mittelreich-Götter.)

14. Heil sei euch auf allen Wegen der Wanderung. ( Alle ): Heil sei euch auf allen Wegen der Wanderung.

15. Eintracht sei eine leuchtende Fackel in Tagen des Dunkels wie in den Zeiten des Lichtes.

16. Die sanfte Taube sei dein Zeichen ...( Name der Frau )..., der starke Adler das deine ...( Name des Mannes ) ... .

17. Die Gottheit beschütze und leite euch; euer beider Wille werde zu einem in diesem ewigen Licht!

Nun werden den Ehepartnern Symbole von Taube bzw. Adler (auch: Falke) überreicht. Diese Symbole können unterschiedliche Form haben, vom Medaillon bis zu größeren Nachbildungen.

Drei Arten der Liebe werden durch die drei Flammen symbolisiert. Auf dem Altar stehen eine große Schale und zwei kleine. Die große symbolisiert die Gattenliebe, die kleineren Freundesliebe und Elternliebe. Der Reihenfolge der Worte nach werden die Flammen in den Schalen entzündet.

Unter "Runen" sind hier Namensmedaillien zu verstehen, die praktisch Personenausweisen entsprechen (äußerlich wohl heutigen Polizeimarken nicht unähnlich). Auf der einen Seite befinden sich die Namen, auf der anderen das Staatssymbol und das Zeichen der Stadt. Der Austausch ist symbolisch. Später erhält jeder Ehegatte einen neuen "Plakettenausweis", auf dem beide Namen jeweils gemeinsam auf der Namensseite stehen.


Der Abschied


1. Wir grüßen den Wanderer, wir schauen ihm/ihr nach.

2. Überschritten ist die Schwelle zur nächsten Welt. Der weite Weg in die Heimat ward näher für dich ...( Name )... .

3. Wir schauen dir nach; wir wünschen dir Glück; dein Aufstieg ist weit und groß. Hoch fliegt dein Geist, weiter strebst du.

4. Getan ist dein Erdenwerk, du hast erkannt.

5. ( Name )... der/die du jetzt über uns stehst, Wanderer durch die Welten des Jenseits, erwarte uns, weise uns den Weg, wenn wir dir folgen über die große Schwelle.

6. Heil dir, der/die du das göttliche Licht näher jetzt schaust; heil dir, heimkehrender Wanderer - Gruß bringe der Gottheit!

7. Wir grüßen dich! ( Alle ): Wir grüßen dich!

Die Beisetzung ist keine Trauerfeier. Das Wort Tod existiert nicht! Es handelt sich lediglich um ein Verlassen des grobstofflichen irdischen Körpers, um das Übersiedeln in einen neuen, jenseitigen Körper, in dem die große Heimwanderung fortgesetzt wird. Über dem Grab wird eine Art Fahnenmast aufgesetzt, an dessen Spitze ein Wimpel mit dem Namens - Runen - Zeichen des/der Verstorbenen flattert. Der Blick ist nur auf diesen hohen Punkt gerichtet. Der begrabene irdische Leib ist als leere Hülle bedeutungslos - die Andacht gilt dem aufgestiegenem Geiste! Es ist eine knappe, schlichte Zeremonie. Der Todestag wird jedoch alljährlich als "Neugeburtstag" dessen gefeiert, dem man gedenken will.

Quelle

Ralf Ettl: Das Karthager-Buch, Societas Templi Marcioni, Wien (Causa Nostra)