Der Birnbaum auf dem Walserfeld: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 10. März 2020, 13:48 Uhr

Text

Auf dem Walserfeld bei Salzburg stehend, ein uralter Birnbaum, ganz dürr und abgestorben seit langer Zeit, und ist schon zum öftern gar umgehauen worden, aber durch die Kraft des Allmächtigen wurde die Wurzel behütet und trieb wieder aus, daß der Baum emporwuchs. Von diesem Baume geht nun eine alte Weissagung, daß er dereinst wieder beginnen werde zu blühen und Frucht zu tragen. Wann aber dieses sich ereignet, dann wird der verzauberte Kaiser* mit all seinen Wappnern hervortreten aus dem Schoße des Untersberges, und es wird eine große und erschreckliche Schlacht des Glaubens halber geschlagen werden. Dieses geschieht aus göttlichem Verhängnis, weil kein Mensch mehr dem andern brüderliche Liebe erzeigen will. Wann der Baum beginnt zu grünen, wird diese Zeit der Not nahe sein, wann er aber anfangen wird Früchte zu tragen, wird sich die Schlacht anheben, und der Fürst des Bayernlandes wird an den Birnbaum seinen Schild aufhängen. Auf dem Felde wird den Streitern das Blut rinnen bis an die Knöchel und in die Schuhe, und die Vornehmen werden wünschen, insgesamt auf einem Sattel davonreiten zu können. Nur die guten Menschen werden von den Riesen des Untersberges geschützt und gerettet, die bösen aber alle erschlagen werden. So schrecklich soll die Schlacht sein, daß sie alles Volk zerstören wird.

Die Sage erzählt, daß ein Fürstensohn hinaufging gen Abend zum Fuß des Untersberges. Und wie mit der Nacht sich das Schlachtgetümmel erhebt, tritt dem Weiterschreitenden ein graubärtiger Herold entgegen und winkt ihm zu folgen und führt ihn in die Tiefe des Wunderberges, immer tiefer, bis es sargeseng wird. Da greift der greise Führer in die Felsen, und es öffnet sich ein weiter Thronsaal mit herrlichen Säulen und hellem Glanze. Und in ihm zehntausend Ritter und hunderttausend Lanzenknechte, zum Kampfe gerüstet. An einem runden Tische aber von Marmorstein inmitten des Saales saß der Kaiser im Reichsschmuck, mit lichtweißem Barte, der, mit Perlen durchflochten, um den Tisch in langen Silberwogen wallte. Um ihn her aber die sieben Kurfürsten des Reichs.

Da tritt des Kaisers Tochter lebenswarm in die versteinerte Welt, geht zu dem Tische und mißt des kaiserlichen Vaters langen Bart; der aber reicht erst zweimal um den Tisch, und der dritte Gang fehlt. Da erstarrt auch sie vor Schmerz, und mit dem Mitternachtsschlage ist alles erloschen und versunken. Der Herold aber spricht zu dem Fürstensohne, der des Kaisers Tochter hatte umarmen wollen:


Und alle, die da unten hausend

Mit ihm und ihr du hast geschaut,

Sind ein versteinertes Jahrtausend,

Das täglich auf ins Leben taut,

Um täglich wieder zu erstarren;

Und so muß Kaiser, Kind und Herr

So lange der Erlösung harren,

Bis um die Tafelrunde her

Des Kaiserbartes Silberwogen

Die Tochter dreimal hat gezogen.


Und wenn der Bart so groß geworden,

Ach, ist das große Volk so klein!

Und selber wird es sich ermorden,

Und Treu und Glauben nicht mehr sein.

Dann kommt ein Fürst aus deinem Stamme

Zum Berg und seinem Schauerraum,

Und hängt des Volkes Oriflamme,

Sein Schild an jenen morschen Baum,

Und wird er wieder Blüten tragen,

Dann wird die Rettungsschlacht geschlagen.


Da bricht aus unterird'schem Saale

Das Heer hervor aufs Walserfeld

Und kämpft und siegt. Zum zweiten Male

Erschafft das große Volk der Held.

Dann wird er Reich und Tochter geben,

Des Rüstung diese Perlen da

Die Tränen dieser Nacht umweben,

Die Tochter heißt Teutonia;

Der Prinz? Wer kann Antwort verlangen?

Wer sagen, wo er hingegangen?

Siehe auch

Untersberg

Quellen

Ludwig Bechstein: Sagen aus deutschen Landen. Nebel Verlag, Eggolsheim-Bammersdorf 2003, ISBN 3-8955-5144-9

Karl L. von Lichtenfels: Lexikon der Prophezeiungen. Herbig, München 2001, ISBN 3-7766-2147-8